Wer konkrete Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Digitalisierung finden möchte, sollte einen kritischen Blick darauf werfen, wo und in welchem Umfang Excel in operativen Kernprozessen bislang genutzt wird.

Die umfassende Analyse der eigenen Ausgangslage ist wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Vorbereitung und Umsetzung von Digitalisierungs-maßnahmen. Um den eigenen digitalen Reifegrad zutreffend zu ermitteln, ist die Betrachtung sämtlicher Handlungsfelder erforderlich, da zwischen diesen zahlreiche Abhängigkeiten bestehen. 

Um jedoch einen schnellen und dennoch belastbaren Eindruck vom Status Quo zu erhalten, reicht bereits die Beantwortung einer einzigen Frage aus. 

Diese These lässt sich plausibel erklären und hat sich – zumindest in der Immobilienbewirtschaftung – als erstaunlich treffsicher gezeigt. 

Stellen Sie sich vor, Microsoft wäre gezwungen, das Programm Excel kurzfristig vom Markt zu nehmen. Beschreiben Sie die zu erwartenden Konsequenzen für das operative Kerngeschäft Ihres Unternehmens:

A

Wir verwenden Excel als Kalkulationswerkzeug in Vertrieb, Planung, Projektentwicklung oder für Sonderauswertungen im Controlling. Ein Verzicht auf dieses Werkzeug wäre zwar bedauerlich, aber das operative Geschäft wäre davon nicht betroffen.

B

Wir verwenden Excel auch im operativen Bereich, etwa für das Berichtswesen gegenüber unseren Kunden. Hier müssten wir andere Wege finden, um die aus den Systemen (ERP, CAFM o.ä.) kommenden Daten in die richtige Form zu bringen, wären aber weiterhin operativ handlungsfähig. 

C

Wir setzen Excel in operativen Kernprozessen in nennenswertem Umfang regelmäßig ein, etwa für die

 

Unsere operative Handlungsfähigkeit wäre durch den Verzicht auf Excel deutlich beeinträchtigt.

Auswertung

Antwort A
Der Einsatz von Excel in diesem Umfang ist ganz sicher kein Hinweis auf Handlungsbedarf im Hinblick auf die Digitalisierung. Denn für diese Anwendungsfälle ist Excel schliesslich gemacht.

Antwort B
Hier kommt es auf Details an. Wird Excel nur für die Strukturierung und Datenübermittlung genutzt, ist das sicher kein Thema, zumal es grade im Kundenreporting Fälle gibt, in denen komplexe und  sich ständig ändernde Kundenforderungen in den Systemen nicht mit vertretbarem Aufwand abgebildet werden können.   

Anders sieht der Fall aus, wenn Excel benötigt wird, um fortwährend Fehler und Lücken in den Systemdaten zu beheben. Hier entfaltet Excel schnell eine destruktive Wirkung, da wiederkehrende Probleme in Bezug auf Daten- und Prozessmanagement kaschiert aber nicht gelöst werden. 

Antwort C
Spätestens, wenn Ihnen zwei oder mehr der genannten Beispiele bekannt vorkommen, besteht in mehrfacher Hinsicht Grund zur Sorge. 

Wo Excel nicht als reines Kalkulationswerkzeug eingesetzt wird, erfolgt dies primär dort, wo für die Tagesarbeit keine geeigneten Systeme verfügbar sind oder holprige Prozesse, fehlende Schnittstellen oder eine löchrige Datenbasis kompensiert werden müssen. Mit Systemen sind hier die jeweils genutzten operativen Kernsysteme gemeint, also etwa klassische ERP-Systeme oder Systeme für Property- oder Facility Management (CAFM-Systeme).

Die Nutzung von Excel geht in diesen Fällen häufig auf die eigene Initiative von Mitarbeitern zurück, die trotz unzureichender Arbeitsmittel handlungsfähig bleiben wollen. Excel ist als Teil des Office-Pakets überall verfügbar, es entstehen insofern keine Mehrkosten, zumindest keine direkten. Letztlich verfügen auch viele Mitarbeiter über erforderliche Excel-Kenntnisse und können gebastelte Werkzeuge daher auf Anhieb nutzen.

Daraus resultieren drei grundsätzliche Probleme: Auf der einen Seite entstehen durch die Nutzung von Excel Probleme im Hinblick auf die Daten- und Prozessqualität. Excelbasierte Prozesse sind kaum steuerbar und die im Prozess genutzten oder entstehenden Daten können nur mit hohem manuellen Aufwand an anderer Stelle nutzbar gemacht werden. 

Das in digitaler Hinsicht größere Problem liegt aber darin, dass die Nutzung von Excel in dieser Intensität entweder nicht bemerkt oder aber toleriert, schlimmstenfalls sogar bewusst etabliert wurde, was Rückschlüsse auf den Stellenwert zulässt, den Daten- und Prozessmanagement bislang haben. 

Nicht zuletzt verfügen solche Organisationen häufig über eine unterdurchschnittliche IT-Ausstattung, was ja mit ein Grund für die hohe Nutzungsintensität von Excel ist.

Nachstehend greifen wir einzelne Aspekte der Excelnutzung im Detail auf.   

1. Prozessuale Defizite

Besteht innerhalb eines Prozesses ein Bruch oder fehlt eine Verbindung zwischen zwei Prozessen,  hilft fast immer Excel, egal ob es sich um Zeiterfassung, Bestellanforderungen oder Verbrauchswerte handelt. Die Übermittlung erfolgt per Mail, in „fortgeschrittenen“ Varianten landen die Dateien in Teams-Ordnern oder in der Cloud, wobei an den Übergabepunkten häufig Handarbeit entsteht. Teilweise werden  automatisierte Workflows auf Excelbasis abgebildet, indem Dateien zeitgesteuert an definierten Punkten abgelegt oder abgeholt werden. Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. 

Beliebt ist der Einsatz von Excel auch bei der „Mobilisierung“ von Prozessen. Mitarbeitenden im Ausseneinsatz werden Excel-Formulare per Mail zur Verfügung gestellt und nach Bearbeitung von diesen zurückgesendet. Dass auf dem Hin- und Rückweg teilweise erheblicher manueller Transferaufwand entsteht, wird oft nicht betrachtet, wähnt man sich doch mit solchen Lösungen schon auf dem digitalen Pfad, da zuvor bestehende Papierprozesse abgelöst wurden. 

Wohl kaum jemand wird Excel in operativen Leistungsprozessen formal als Standardwerkzeug definieren, spätestens dann nicht, wenn die Prozesse zertifiziert werden sollen. Kommt Excel dennoch in diesem Umfang zum Einsatz, wurden entweder keine Prozesse definiert oder die definierten Prozesse werden nicht gelebt. Für die Digitalisierungsbemühungen ist das in beiden Fällen eine schlechte Nachricht, denn was will man digitalisieren, wenn nicht Prozesse? 

Nicht viele Unternehmen betreiben ein wirklich aktives Prozessmanagement, bei dem Prozesse nicht nur einmalig definiert sondern auch fortwährend optimiert und einem laufenden Monitoring unterzogen werden. Das Problem der Excel-Nutzung liegt insofern nicht nur in den operativen Folgen für die Datenqualität (s. unten), sondern auch darin, dass es entweder zugelassen wir oder unentdeckt bleibt, dass sich Prozesse verselbständigen. 

Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt bei flächendeckend agierenden Organisationen, da sich dort häufig in einzelnen Standorten mehrere „inoffizielle“ Prozessvarianten etablieren, von denen im Zuge der Digitalisierung fast alle auf der Streck bleiben, da man in aller Regel nur einen Zielprozess abbilden wird. 

2. Daten, Reporting und Schnittstellen

Fehlt irgendwo eine Schnittstelle zwischen Systemen, wird diese mit Excel schnell geschaffen. Im einfachsten Fall werden die Daten aus dem einen System nach Excel gezogen und von dort manuell in das andere System importiert oder kopiert. Wo die beteiligten Mitarbeiter etwas mehr Zeit und IT-Kenntnisse haben, werden solche Lösungen auch über komfortable Makros unterstützt. Der für die Umsetzung und Pflege solcher Werkzeuge anfallende Aufwand ist oft erheblich, wird aber in der Regel nicht transparent.

Im Berichtswesen wird Excel einerseits eingesetzt, wenn die Systeme die benötigten Daten nicht nutzbar bereitstellen können. Sofern es hier lediglich um die Formatierung oder Strukturierung der Daten geht, ist dagegen im Grunde nichts einzuwenden, auch wenn richtige Reportingwerkzeuge das besser können, zumal diese die Daten direkt aus den Systemen ziehen können und damit eine Fehlerquelle umgehen (vgl. Antwort B). Fairerweise muss man sagen, dass nicht wenige Kunden so komplexe und sich häufig ändernde Reportinganforderungen haben, dass sich diese ohne Excel – mit vertretbarem Aufwand – kaum abbilden lassen. Mit Blick auf die steigenden  Anforderungen von ESG-Reports kommt der Reportingfähigkeit eine zunehmende Bedeutung zu, bei der Excel in Bezug auf den Umfang und die Anzahl der Datenquellen fast zwangsläufig an seine Grenzen stossen wird. 

Deutlich häufiger wird Excel im Reporting aber benötigt, da die Systemdaten Lücken oder Fehler aufweisen, die vor dem Versand korrigiert werden müssen. Hier entfaltet Excel eine destruktive Wirkung, da die Daten in Excel bei dieser Art der Nutzung schlimmstenfalls wieder und wieder korrigiert werden, anstatt den Gründen für die Datenfehler auf den Grund zu gehen und sie dauerhaft zu beseitigen. 

Ein häufiger Grund für die intensive Nutzung von Excel sind Systeme, in denen benötigte Daten nicht vollständig abgebildet werden können. Hier entsteht eine Schattenbuchhaltung in Form von Exceldateien. Wenn aber jeder die für ihn relevanten Daten individuell lagert und pflegt, ergibt sich insgesamt kein nutzbarer Datenbestand. Vielfach werden Daten dabei redundant aber mit unterschiedlichen Ständen vorgehalten, so dass bei Bedarf nicht eindeutig ist, welche Daten aktuell sind. 

Die für die Digitalisierung relevanten Fragen nach dem konkreten Daten- und Informationsbedarf und den tatsächlich bereits verfügbaren Daten lässt sich auf dieser Basis nur sehr schwer beantworten. Neben dem Problem der insgesamt geringen Datenqualität besteht im Hinblick auf die Digitalisierung das Problem, dass man sich lange nicht in der erforderlichen Tiefe um seinen Datenbestand gekümmert hat und die entstandenen Altlasten im Vorfeld digitaler Maßnahmen beseitigt werden müssen.

Neben diesen daten- und prozessbezogenen Defiziten gibt es weitere Felder, in denen die intensive Excelnutzung zu Problemen führen kann, da Fragen von Datenschutz und Datensicherheit von immer größerer Bedeutung sind.

3. Datensicherheit

Unter dem Gesichtspunkt der Datensicherheit ist die Excel-Nutzung in diesem Umfang ein wesentliches Problem. Man kann Excel praktisch nicht vor Manipulationen der Daten schützen, zumal auf die Dateien häufig mehrere Nutzer Zugriff haben, etwa auf Netzlaufwerken. Dabei geht es nicht nur um bewusste Datenänderungen sondern auch um ungewollte Fehler, etwa wenn Dateien nicht oder zum falschen Zeitpunkt gespeichert werden. Passwort- oder Blattschutz wird häufig nicht vergeben oder lässt sich im Zweifel umgehen. 

Es kann nicht nachvollzogen werden, welche Änderungen von wem vorgenommen wurden. Insbesondere in umfangreichen Tabellen besteht insofern stets das Risiko inkonsistenter Daten, was etwa bei Abrechnungsgrundlagen schnell zu einem echten Problem werden kann.

Auch unter Aspekten der Rechtssicherheit kann Excel Probleme verursachen, etwa wenn damit Arbeitsberichte oder Wartungsprotokolle erstellt werden. Ohne zusätzlichen Aufwand – etwa die parallele Speicherung als Pdf-Dokument – kann kein zweifelsfreier Nachweis über die ordnungsgemäße Durchführung geliefert werden, da nachträgliche Veränderungen nicht ausgeschlossen sind.

4. Datenschutz

Auch unter Datenschutzaspekten verursacht Excel Probleme, da es grundlegende Anforderungen von DSGVO & Co. nicht erfüllt. Mieterlisten mit Bankverbindungen, Mitarbeiterlisten mit Vergütungsdetails oder Kundenlisten mit Kontaktdaten können erhebliche Probleme verursachen, zumal nicht gesteuert werden kann, wer diese Daten erhält oder wo überall diese abgelegt werden. Spätestens wenn ein Kunde oder Mieter hier von seinem datenbezogenen Auskunftsrecht Gebraucht macht, wird die Luft schnell dünn, da man weder sagen kann, welche Daten gespeichert wurden, noch wo genau.

5. IT und Systeme

Organisationen mit hoher Excelquote verfügen häufig über eine unterdurchschnittliche IT-Ausstattung. Das ist plausibel, denn Excel wird ja in den benannten Fällen genutzt, um bestehende Defizite an Systemen oder Prozessen zu kompensieren. 

Wer Excel als Werkzeug zugelassen hat, um IT-Investitionen zu vermeiden, kommt möglicherweise jetzt an Budgetgrenzen, die den Digitalisierungsfortschritt zusätzlich bremsen.

Die Nutzerakzeptanz bzgl. neuer Systeme und Prozesse ist in diesen Organisationen häufig gering ausgeprägt, da formalisierte Prozesse hier als Rückschritt wahrgenommen werden gegenüber der sehr hohen Flexibilität excelbasierten Arbeitens, was den Change-Prozess nicht unbedingt vereinfacht.

Fazit

Unternehmen mit einer hohen Excel-Nutzungsquote verfügen in der Regel über eine geringen digitalen Reifegrad und müssen besondere Anstrengungen unternehmen, um den digitalen Anschluss nicht zu verlieren.

Sie verfügen über gering entwickelte Kompetenzen im Bereich Daten- und Prozessmanagement. Wurde Excel über einen längeren Zeitraum intensiv eingesetzt, hat sich die Handhabung von Prozessen und Daten weitgehend verselbständigt. Relevante Datenquellen liegen quer über das Unternehmen verteilt. Dezidierte Prozesse für die Plausibilisierung der Daten konnten auf dieser Basis nicht etabliert werden. 

Das unzureichende Prozessmanagement führt bei Organisationen mit mehreren Standorten dazu, dass sich mehrere Prozessvarianten herausbilden, die im Vorfeld der Digitalisierung vereinheitlicht werden müssen, was zusätzliche Nutzerwiderstände verursacht.

Organisationen mit hoher Excel-Quote haben häufig hohe technische Schulden angesammelt, da bestehende Systemdefizite mit Excel kompensiert wurden und im Grunde längst erforderliche Investitionen unterblieben sind. 

Veränderungswiderstände der Mitarbeiter sind in Excel-Organisationen häufig ausgeprägt, da die sehr hohe Flexibilität in der Handhabung von Daten und Prozessen nur ungern aufgegeben wird.